Mittwoch, 25. März 2015

Pressemitteilung der Studierenden /// 24.3.15

NEUE DIMENSIONEN: DER STREIT UM DIE DFFB-DIREKTION FÜHRT IN DEN KELLER – DER DISKURS FINDET AM LICHT DER ÖFFENTLICHKEIT STATT.

Am Montag dem 16. März 2015 sollte Ralph Schwingel der DFFB in einer Akademie-Vollversammlung vorstellig werden. Diese hatte, wie es in der Einladung formuliert war, zum Ziel, "offene Fragen zu klären" und die "Grundlage für eine zukünftige Zusammenarbeit" zu schaffen. Um das laufende Verfahren und die illegitime Einsetzung Ralph Schwingels durch ihre Anwesenheit nicht zu legitimieren, hatten die Studierenden einen Boykott beschlossen.

Um sich trotzdem gesprächsbereit zu zeigen und Ralph Schwingel zu erklären, dass es sich hierbei nicht um eine Verurteilung seiner Person handelt, kam es im Vorfeld der Vollversammlung zu einem informellen Treffen zwischen Ralph Schwingel und drei studentischen VertreterInnen.

In diesem Gespräch informierten die Vertreter Ralph Schwingel über den in einer Umfrage unter den Studierenden beschlossenen Boykott und warben um Verständnis für ihre Haltung zum Prozess. Sie forderten Ralph Schwingel auf, seine nachgereichte Bewerbung zurückzuziehen und sich zusammen mit den Studierenden für ein gerechtes, transparentes Verfahren einzusetzen. Sie problematisierten außerdem die Zusammensetzung des Kuratoriums.

Ralph Schwingel erklärte, dass er seine Bewerbung "nicht aus Solidarisierung mit den Studenten" zurückziehen werde. Als mögliche Gründe für einen "unwahrscheinlichen" Rückzug nannte er "Selbstfürsorge" oder die Erkenntnis, dass er hier "nicht den Baum pflanzen kann, den er pflanzen will".

Anschließend versammelten sich etwa 30 StudentInnen vor den Fahrstühlen des Filmhauses für eine symbolische Sitzblockade. Sie begrüßten Ralph Schwingel mit Sprechchören: "Kein Direktor ohne uns". In der Folge mussten die Dozenten und Mitarbeiter für ihr Gespräch mit Ralph Schwingel in den Keller des Filmhauses ausweichen.
Etwa zeitgleich erreichte die DFFB die Nachricht von der einstweiligen Verfügung, die Sophie Maintignieux erwirkt hatte. Diese bestätigt die Kritik am Verfahren und die Einschätzung der vom Rat der Studierenden beauftragten Kanzlei Raue, das Verfahren sei "rechtswidrig".

Unterdessen wächst in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Tragweite der Situation. In Offenen Briefen und solidarischen Gesten bringen verschiedene Verbände ihre Sorge um die Zukunft einer einzigartigen Institution zum Ausdruck. Das öffentliche Interesse zollt der Tatsache Respekt, dass sich im Streit um den Direktionsposten der DFFB ein strukturelles Problem abbildet, das Fragen nach der Freiheit der Kunst im 21. Jahrhundert, der Ökonomisierung künstlerischer Ausbildung und ins besondere nach der Zukunft des deutschen Films aufwirft.

Auch die Zusammensetzung des Kuratoriums wird in der Presse zunehmend problematisiert. Dieses besteht mehrheitlich aus VertreterInnen der Industrie - kein/e FilmemacherInnen, kein/e Lehrende, kein/e KünstlerInnen sind darin vertreten. Nicht erst seit dem Verfahren vor fünf Jahren offenbaren sich immer deutlichere Interessenunterschiede zwischen dem Kuratorium und den Bedürfnissen der Akademie.

Es ist an der Zeit öffentlich für eine andere Zusammensetzung des Kuratoriums einzutreten. Für ein Kuratorium, das von einer Kultur des Wechsels getragen wird. Eines, dessen Mitglieder Empathie für die Vorzüge der DFFB besitzen und die Besonderheiten der Akademie – zum Beispiel die Drittelparität – verteidigen, anstatt sie mit neuen Statuten offiziell abzuschaffen.

Wir fordern eine nachhaltige Sicherung der DFFB als Ort der freien und unabhängigen Filmkunst. Dies kann nur mit einer Neustrukturierung des Kuratoriums der DFFB und einer Reformation des Verfahrens zur Neubesetzung der Direktion erreicht werden.

UPDATE ZU RALPH SCHWINGELS RÜCKZUG

In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ wurde heute Abend (24.3.15) bekannt, dass Ralph Schwingel seine Bewerbung um die Direktion der DFFB zurückzieht.
Wir, die Studierenden der Deutschen Film- und Fernsehakademie, bedauern die Gründe für diese Entscheidung. Wir möchten an dieser Stelle erneut betonen, dass es uns nie um eine Ablehnung der Person Ralph Schwingels ging, sondern um unsere Kritik am Verfahren, deren logische Konsequenz es war, Ralph Schwingel um den Rückzug seiner Bewerbung zu bitten. Diese Haltung haben wir in einem Gespräch zwischen Ralph Schwingel und studentischen Vertretern deutlich gemacht.

Leider ist es im Verlauf dieses Gesprächs zu keiner Annäherung gekommen. In dem Interview mit dem „Tagesspiegel“ legt er nun nicht nur die Gründe für seinen Rückzug offen, sondern übt auch polemische Kritik an der Studentenschaft. Wir möchten hier zu einigen Punkten des Gesprächs Stellung beziehen.
Der „schöne konstruktive Impuls“ des Gesprächsangebots der Dozierenden an die Studierenden wurde von uns interessiert wahrgenommen. Vereinzelte Versuche, die anwesenden Studierenden von einer Zusammenarbeit mit Ralph Schwingel zu überzeugen, misslangen, da es eben keinen „harten Kern“ gibt, sondern eine Studentenschaft, die geschlossen und seit Monaten das Verfahren kritisiert.

Behauptungen wie die, die Studierenden wollten „ihren Willen durchsetzen“ und Sophie Maintignieux sei „Favoritin“ sind tendenziös und zeichnen ein falsches Bild der Studentenschaft. Wie in zahlreichen Pressemeldungen und Interviews dargelegt, ging es uns niemals darum, „den Direktor selbst zu bestimmen“. Der basisdemokratisch abgestimmte Verfahrensvorschlag der Akademie hätte eine Vorlesungsreihe beinhaltet. Jeder Bewerber, der über 50 % der Stimmen der Akademie auf sich hätte versammeln können, wäre dem Kuratorium vorgestellt worden. Auch war Sophie Maintigneux niemals die einzige von der Akademie gestützte Bewerbung. Vielmehr war die Bewerbung von Oliver Czeslik und Fred Kelemen aus formalen Gründen bereits in der ersten Runde aussortiert worden – einer von vielen Punkten, an denen dieses Verfahren kritisiert werden muss und juristisch angreifbar ist.

Ralph Schwingel spricht in dem zitierten Interview vom studentischen „Eigensinn“ und wirft den Studierenden vor, sich nicht auf einen „common sense“ einzulassen. Die Drittelparität bejahe er grundsätzlich, aber „nicht in der jetzigen schwierigen Lage“.
Neue Statuten, die die Drittelparität praktisch abschaffen bzw. den akademischen Rat zu einem rein beratenden Gremium degradieren sollen, liegen vorbereitet auf dem Schreibtisch des Kuratoriums. Die Verabschiedung dieser Statuten soll, wie Böhning in der Akademievollversammlung am 11. März 2015 mitteilte, die neue Direktion durchführen. Mit der Drittelparität würde das Kernstück des Akademiegedankens abgeschafft werden. 

Wir erkennen in dem wiederholten Versuch, die Studierenden als chaotisch und nicht einstimmig zu beschreiben Angst vor der praktizierten Demokratie, der wir die Frage entgegensetzen möchten: Wann, wenn nicht in schwierigen Zeiten, in denen tatsächliche Richtungsentscheidungen anstehen, sollte man Demokratie praktizieren?

Ralph Schwingel unterstellt den Studierenden ein „seltsam unhinterfragtes Fundament des Filmens aus der Kunst und aus dem Widerstand heraus“, eine Formulierung, die in vielerlei Hinsicht kritisch zu betrachten ist, da sie an die Definition der Filmkunst rührt. Die DFFB hat sich immer als Ort der Ausübung und des Nachdenkens über Film als Kunst verstanden. Zu diesem Nachdenken gehört selbstverständlich eine Kultur der permanenten Hinterfragung, ohne die keine künstlerische Innovation möglich wäre.

Des weiteren bemerkt Ralph Schwingel, in der jetzigen Situation brauche es statt der Drittelparität „demokratisches Urvertrauen“ und ein „gemeinsames Streben nach der besten Lösung“. Wir möchten noch einmal daran erinnern, dass die Hoffnung und der Glaube an das gemeinsame Streben von Seiten Björn Böhnings mit dem Konsensversprechen aufgekündigt wurde. Bereits in einem Offenen Brief an Herrn Müller haben wir ein Verfahren gefordert, dass uns das verlorene Vertrauen in demokratische Grundwerte zurückgibt. An dieser Forderung halten wir fest.

Schließlich zitiert Ralph Schwingel einen Alumnus mit „hier könnte nicht mal Jesus Christus was ausrichten“. Wir möchten uns gegen zynische Äußerungen dieser Art deutlich verwehren. Außerdem möchten wir klarstellen, dass wir weder einen „Retter“ noch einen „weißen Ritter“ brauchen. Wir brauchen eine Direktion, die unsere Akademie nicht von ihrem Mut, ihrem Demokratiesinn und ihrem „Eigensinn“ heilen will. Eine Direktion, die sich der Akademie gegenüber stärker verantwortlich fühlt als dem mächtigen Kuratorium. Eine Direktion, die die Akademie nicht als eine im Kriegszustand beschreibt, die kurz davor ist „in Schutt und Asche“ zu zerfallen, sondern als eine, die auf dem Weg zu einer historischen Stärke ist, die sie braucht, um ihre Zukunft zu gestalten.


Der Rat der Studierenden der DFFB
im Namen der Gemeinschaft der Studierenden

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